Rahbar – das H ist stumm

Ein guter Koch und Schnapsbrenner

Ein guter Koch und Schnapsbrenner

Rahbar wohnt in einem Dorf am Rande Bakus in Aserbaidschan, ist 52 Jahre alt und mag Blumen. Seinen selbst gebrannten Schnaps, den er aus den Früchten seines eigenen Gartens brennt, schenkt er uns mit den Worten ein: „Wenn ihr zu viel davon trinkt und ihr ins Krankenhaus kommt, gibt’s Ärger mit der Polizei!“ Rahbar war mal Englischlehrer, obwohl sein Wortschatz ihn doch eher als schlechten Schüler ausweist. Für diese Arbeit zahlte man ihm 400 Dollar im Monat, weshalb er seinen Job aufgab und nun weit draußen für das dreifache Salär in einer unterentwickelten Region auf Geheiß einer NGO, deren Arbeit zu einem Großteil durch die EU finanziert wird, nachhaltige Bildungsprojekte aufbaut und dauerhafte Infrastrukturen schafft. Dafür und davon hat er sich einen schönen Hyundai gekauft, der einen erstaunlichen Pflegezustand aufweist. Die Kinder sind aus dem Haus, der Sohn als Arzt in der Schweiz, die Tochter hat gerade ihren Master gemacht. Seine Frau arbeitet in Afghanistan und ist fast nie zuhause. Ob er Angst um sie hat? Nein, warum denn? Sie wird doch von der UNO beschützt. Wie viele andere Höfe in dieser Gegend schmückt auch seinen Hof ein neues Haus, zwei Stockwerke, viel Platz, Wasserdruck und Voltzahl sehr zufriedenstellend, Holzfußboden, Souvenirs aus allen Teilen der Welt, meist aus Afrika, so wie die Uhr mit den Giraffen oder der Schmuckteller aus Kenia in der Vitrine neben dem Bleiglas aus Paris.

Rahbar mag Blumen, Blumen mögen Rahbar

Rahbar mag Blumen, Blumen mögen Rahbar

Im zweiten, älteren und kleineren Haus wohnt sein Bruder mit seiner Frau und zwei Söhnen, er hat spät geheiratet und arbeitet nicht. In Rahbars arbeitsbedingter Abwesenheit kümmert er sich um Haus, Hof, den Hund und die drei Enten, gießt die Blumen und repariert hier und da was. Seine Söhne, einer fünf, einer zwei Jahre alt, spielen mit uns Fußball, ohne dass wir uns verständigen können, aber für „Ronaldo“, „Schweinsteiger“ und „Gol!“ benötigt es keine Sprache. Seine Frau ist selten zu sehen. Manchmal sehe ich noch eine weitere Frau auf dem Hof, wer sie ist, was sie macht und warum sie so skeptisch schaut, mag ich nicht ergründen.

Einer gegen zwei ist unfair

Einer gegen zwei ist unfair

Rahbar kommt ursprünglich aus Karabach, einer bis heute von Armenien annektierten Region. Der Versuch, sich über den Genozid an den Armeniern zu unterhalten, beginnt mit der Aussage, der große Bruder Türkei wäre den Aserbaidschanern zur Hilfe geeilt und hätte schließlich die Armenier gestoppt, als sie vor Baku standen und wird beendet er mit der Aussage, er sei Englisch- und kein Geschichtslehrer. Dabei nehmen wir in den Gesprächen Rahbar als einen aufgeschlossenen Weltbürger war, so kann er auch die Form der Demokratie, wie sie sich in Aserbaidschan darstellt, recht genau und augenzwinkernd einschätzen. Allerdings ist seine eigene Geschichte, die ihn mit den Armeniern verbindet oder besser gesagt von ihnen trennt, eine andere. Sie beginnt Ende der Achtziger und endet Anfang der Neunziger mit der Vertreibung der aserbaidschanischen Minderheit durch armenische Milizen, wieder starben Menschen. Sein Heimatdorf kann Rahbar nicht mehr besuchen. Damit scheint er sich allerdings abgefunden zu haben, denn es geht ihm augenscheinlich gut, da wo er ist. Kein Grund, über Politik zu sprechen oder im Dreck zu wühlen. Lieber sich und seinen Gästen noch einen Schnaps eingießen, Schaschlik essen und sich des Lebens freuen.

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