Auf den Berg mit dem Teufel

Die Kreuzung im Nichts

Die Kreuzung im Nichts

An Kreuzungen wie dieser wacht man auf, wenn man in der Nacht zuvor dem Teufel seine Seele verkauft hat. Staubig, genaugenommen ohne jegliche Umgebung, fern wartet in einer Richtung die Stadt, in der anderen etwas nebulös-unglaubliches, weit, weit oben in den Wolken, was es zu erobern gilt. Wir kamen mit dem Bus Nummer 350 aus Karakol und teilten dem Fahrer mit den goldenen Zähnen das Kennwort „Arashan“ mit, woraufhin er uns an diesem verlassenen Ort aussteigen ließ. Was nicht einfach war; kurz vorher waren in den bereits überfüllten Bus 14 lachende Schulkinder samt gestrenger Lehrerin eingestiegen, ein Huhn wird gackernd in einer Kiste über meinen Kopf von hinten nach vorn gereicht. „Germania?!“ „Gutan Tak! Gitler kaput!“
Kaum ausgestiegen, begegnet uns ein homosexueller und verängstigter Malaie namens Ju-Win, der laut eigenen Worten von einem zwielichtigen und zahnlosen Kirgisen in der Hoffnung nach Geld seit einer Stunde verfolgt wird. Ich meine, was rennt der auch allein hier rum, ohne ein Wort Russisch zu sprechen. Er bittet uns, sich uns anschließen zu dürfen und wir sagen ja, denn wir glauben, nicht der Schwule ist der Teufel, sondern der Zahnlose. Aber wer weiß das schon so genau. Den Kirigisen verscheuchen wir mit bösen Blicken.
Keine Schilder können uns helfen, auf den rechten Weg zu finden, die paar Einheimischen drehen sich arbeitend weg, wenn wir in ihre Nähe kommen. Nach einer Stunde finden wir ein altes Häuschen im Wald, an dem drei starke Männer skeptisch zu uns schauen und sagen, wir seien falsch. Beim Versuch, wieder auf den Weg zum richtigen Oben, zum korrekten Platz unter der Sonne zu kommen, nimmt uns bergab ein großer Wagen mit, der in seinem Laderaum ein paar unschuldige Vorschulkinder geladen hat. Diese starren Ju-win böse an, wer als erster wegschaut, hat verloren. Der Malaie hockt schwankend-kleinlaut in der Mitte, als es über Stock und Stein bergab geht.
DSC03603Der Weg hinauf wird begleitet von einem reißenden Gebirgsbach, der Schmelzwasser und Hoffnungen auf ein schnelles Ankommen hinunterspült, denn es wird steiler und steiler. Kinder befüllen Wasserkanister, die an Pferden hängen. Wohlhabende oder alte Touristen sitzen in dürftig geschweißten und frisch lackierten Containern, die auf dem Rücken von sowjetischen Allradfahrzeugen den Berg hinaufgebuckelt werden. Sie schauen von oben auf uns herunter, wir auf sie hinab. Uns kommen Menschen zu Fuß entgegen, in westeuropäische Funktionsjacken gekleidet, mit Stöcken aus Metall in ihren Händen; doch egal, wie lange wir laufen, erzählen uns diese Menschen immer, es seien immer nur noch drei Stunden bis auf den Gipfel.
Der Malaie, der uns nun wie ein Schatten begleitet, erscheint mir zu schlau und er fragt zu viel. Egal, wie schnell wir die Berge hinauflaufen, er nimmt dasselbe Tempo, er meckert nicht, fragt nicht nach Pausen, lässt uns den Vortritt, wenn wir kleine Bäche mit Sprüngen überqueren. Er hat nur eine kleine Flasche Wasser bei sich und ein Stück trockenes Brot. Als wir uns zu einem Schäfer und seiner Herde setzen und mit ihm eine Zigarette rauchen, lässt sich der Schäferhund bereitwillig von uns streicheln, den Malaien bellt er ängstlich-agressiv an und will ihn beissen, als dieser ihn mit seinem Smartphone fotografiert. Auch der Schäfer ist skeptisch und zieht seinen Hund ganz nah zu sich heran. Kurz darauf verschwindet er mit seiner Herde wieder in die Hügel, Ju-win überspielt die Situation durch knappes Lachen und mit der Aussage, es sei ja nichts passiert.

Zwei Zigaretten für ein Foto

Zwei Zigaretten für ein Foto

Wie die Geschichte ausgeht, weiß ich noch nicht. Bestimmt böse. Vielleicht aber doch mit Happy End? Treffen wir Gott? Nein, den gibt’s ja gar nicht, ebenso wie den Teufel. Naja, wir werden sehen. Genauso wie noch mehr Bilder.

2 Gedanken zu „Auf den Berg mit dem Teufel

  1. Hallo ihr zwei,
    wird ja immer spannender, jetzt sogar Fortsetzungsgeschichten. Da aber schon Video aus dem Wolgadelta, scheint ja alles gut gegangen zu sein?
    Nochmals Grüße aus dem Warnowdelta…

    1. Hallo zurück von Delta zu Delta und ja, wir sind wohlbehalten an der Wolga angelangt. Aber manchmal weiß man ja nicht, wie die Geschichte endet, obwohl man sie selbst erlebt hat…

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