Zori braucht Schlaf

Zori ist oft etwas müde

Zori ist oft etwas müde

Das ist Zori. Gestern, am Abend des 9. Mai, dem Feiertag des Sieges über Nazi-Deutschland und dem Feiertag der Befreiung der Exklave Nagorny-Karabach, genauer gesagt der Stadt Schuscha, die bis 1992 von Aserbaidschan besetzt war, hat er uns Wein gebracht und Kuchen und hat dazu mit seiner glockenhellen Stimme zwei unglaublich traurige, armenische Volkslieder angestimmt. Er ist 23 Jahre alt und übernimmt sechs Tage in der Woche die Nachtschicht in dem Hostel in Jerewan, in dem wir für ein paar Tage wohnen. Er kommt abends um acht und geht zwölf Stunden später. Zwischendurch versucht er, ein wenig Schlaf auf der Couch im Gemeinschaftsraum zu bekommen, denn am Tag arbeitet er von neun bis sieben in einer Tischlerei, die sich auf Fahrzeug- Innenausbauten spezialisiert hat. Die einzige Freizeit, die er hat, ist der Sonntag, aber da schläft er eigentlich nur. Einmal im Monat schafft er es, in die Kirche zu gehen und zu beten. Zori spricht sehr gut deutsch, denn das hat er in der Schule gehabt und danach an einer Universität studiert. Dazu spricht er armenisch, russisch und ein wenig englisch. Sein älterer Bruder lebt in Deutschland, aber als ich ihn frage, ob er nicht lieber bei seinem Bruder leben möchte, verneint er mit einem Seufzen, denn einer muss sich doch um die Eltern kümmern, die ein paar Kilometer außerhalb Jerewans leben, schon sehr alt sind und Hilfe benötigen. Deswegen muss Zori auch soviel arbeiten. Seine Freundin, die in einer anderen Stadt wohnt, hat Zori deshalb schon seit fünf Monaten nicht mehr gesehen, Telefonate müssen reichen. Wieder ein kleiner Seufzer. Wie lange das so weitergeht? Zori weiß es nicht, aber er will unbedingt Polizist werden, dann hätte er gute Arbeitszeiten, einen vernünftigen Lohn, könnte seine Freundin heiraten, ein normales Leben führen und endlich mal wieder lange schlafen.

Zori wurde für kurze Zeit unser Freund

Zori wurde für kurze Zeit unser Freund

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